Exil - Wartesaal-Trilogie by Aufbau
Autor:Aufbau [Aufbau]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-10-12T04:00:00+00:00
14
Was Neues aus Afrika?
Gustav Leisegang erstattete Wiesener Rapport über seine Verhandlungen mit Gingold. Er habe, berichtete er, den Verleger Gingold ein bißchen unter Druck gesetzt. »Ich glaube«, meinte mit leiser Ungeduld Wiesener, »noch mehr Druck könnte nicht schaden.« – »Ich stehe zu Ihren Diensten«, antwortete Leisegang.
Hinterher ärgerte sich Wiesener über seine Order. Der Chef der Inseratenagentur Gellhaus & Co. war ein erprobter Mann und verstand von seinem Geschäft mehr als seine Auftraggeber. Er wußte von allein, wann Zucker anzuwenden war und wann die Peitsche. Warum also hatte er, Wiesener, ihm diese überflüssige Weisung gegeben, die nach verblümtem Tadel schmeckte?
Er hat es nur getan, weil ihm Spitzis Gerede von der Langwierigkeit seines Unternehmens nicht aus dem Kopf geht. Dabei ist dies Gerede doch abgetan. Heydebregg hat sich von Spitzi nicht aufhetzen lassen, er hat sich darauf eingestellt, daß man sich geraume Weile werde gedulden müssen, ehe seine, Wieseners, Methode Erfolg zeitige. Aber sowie er an Spitzi denkt, setzt seine Vernunft aus, und er läßt sich von seinem Haß hinreißen. Dieser Spitzi. Er geht im Wortsinn über Leichen. Seine Stellung ist untermauert mit Leichen. Er sitzt gewissermaßen auf Leichen. Leichengeruch ist um viele Parteigenossen, und gemeinhin läßt sich Wiesener dadurch nicht stören. Aber im Falle Spitzi ist ihm das Parfüm zu aufdringlich.
Lange indes hielt Wieseners Ärger über seine Unbesonnenheit vor Leisegang nicht vor. Es ging ihm gut in diesen schönen Tagen des frühen Juni, er fühlte sich wohl. Der Bruch mit Lea war eingerenkt. Heydebreggs war er sicher; das Nilpferd war häufiger Gast in der Rue de la Ferme, der peinliche Zwischenfall mit den »P. N.« war vergessen. Wenn er an die Sache mit Raoul dachte, dann freilich war ihm nicht ganz behaglich. Auch schlich ihn manchmal leise die Besorgnis an, Lea könnte von seinem Plan hören, die »P. N.« unschädlich zu machen. Aber wie sollte sie davon hören? Und selbst wenn etwas zu ihr drang, dann höchstens vages Gerede; er konnte auch dann dreist und überzeugend abstreiten, daß er seine Hände in dieser Angelegenheit habe. Nein, es war alles gut, er konnte sich sein Leben nicht erfreulicher wünschen.
Er durfte es sich jetzt sogar leisten, seine journalistische und politische Tätigkeit zu vernachlässigen, um sich dafür mit voller Kraft auf seine literarische Arbeit zu werfen. Seine ganze Zeit verbrachte er mit dem »Beaumarchais«. Je mehr er sich in seinen Stoff vertiefte, um so mehr gefiel ihm dieser Mann Beaumarchais, seine Leichtfertigkeit, seine Wendigkeit, sein Talent, sein Werk, seine Gesinnungslosigkeit, das Advokatische an ihm und das ungeheure Glück, das ihn immer jene Sache vertreten ließ, welche die Nachwelt billigte. Seiner Art nach hätte Wieseners Beaumarchais ebensogut für die absolute Monarchie eintreten können wie für die Menschenrechte; sein Glück ließ ihn die Revolution einläuten. Ja, dieser Pierre-Augustin Baron de Beaumarchais war so recht ein Mann nach dem Herzen Erich Wieseners. Wie gern wäre er der Beaumarchais seiner Epoche geworden. Er arbeitete an dem Buch mit Liebe und mengte ironische Anmut hinein, um seine Begeisterung für den Helden nicht zu deutlich zu verraten.
Wenn ihn bei dieser angenehmen Arbeit etwas störte, dann war es die Haltung Maria Hegners.
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